365-Euro-Ticket statt leerer Versprechen: „9 für 90“-Ticket müssen landespolitische Taten folgen

Grüne in der Metropolregion fordern verbessertes ÖPNV-Angebot

Ein Gutachten im Auftrag des VGN befeuerte die Diskussionen über nachhaltige und bezahlbare Mobilität in der Metropolregion. Der Koalitionsvertrag der CSU/FW-Staatsregierung und vollmundige Ankündigungen hatten Erwartungen für Bus und Bahn geweckt: Ausbau der Infrastruktur, Ausweitung des Angebotes, Barrierefreiheit, Vereinfachung des Tarifsystems. Und mit der Erwähnung eines 365-Euro-Tickets für Alle in Ballungsräumen, namentlich auch „Nürnberg/Fürth/Erlangen“, findet sich ein Projekt mit großer Strahlkraft in der Arbeitsgrundlage der Staatsregierung. Gut ein Jahr vor Ende der Legislaturperiode lässt die Umsetzung auf sich warten. Somit stehen die Kommunen allein da. Laut durch VGN beauftragtem Gutachten des VGN wird durch ein 365-Ticket ein Fahrgastzuwachs von 3,2 Prozent prognostiziert.

Während die Söder-Regierung nach Ausflüchten sucht ihr vollmundigen Versprechungen zu verschieben, schreitet die Bundesregierung voran. Mit dem Nahverkehrsticket „9 für 90“ zeigt die Bundesregierung, dass Bekämpfung der Klimakrise, Unabhängigkeit von russischen Energieträgern und die Förderung von einkommensschwachen Haushalten kein Gegensatz sein muss.

Umso unverständlicher ist es für den Grünen Landtagsabgeordneten Christian Zwanziger, dass die Söder-Regierung das 365-Euro-Ticket in der Metropolregion auf die lange Bank schieben will. Eine Anfrage Zwanzigers‘ zeigt nämlich, dass die Staatsregierung in dieser Legislaturperiode überhaupt nicht mehr plant, ein 365-Euro-Ticket für Alle in der Metropolregion umzusetzen. „Der Koalitionsvertrag der Söder-Regierung entpuppt sich als Mogelpackung. Erst ein 365-Euro-Ticket für Alle ankündigen, dann nicht liefern und die Kommunen im Regen stehen lassen. Das zeigt symptomatisch, warum wir endlich eine andere Politik auch in Bayern brauchen.”

Unmut über dieses Vorgehen der Staatsregierung regt sich auch bei den Grünen Stadträtinnen und Stadträten aus Nürnberg, Fürth, Schwabach und Erlangen.

Carla Ober, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion Grüne/ Grüne Liste Erlangen, wünscht sich eine ergebnisoffene Diskussion des Gutachtens: „Das Gutachten ist nicht so eindeutig, wie es in der offiziellen Verlautbarung klingt. 3,2% Mehrnachfrage für den ÖPNV im VGN allein durch eine Preissenkung – ohne Betrachtung zusätzlicher Maßnahmen – ist eigentlich eine beachtliche Zahl und auch für günstigere Modelle zeigt sich im Gutachten Wirkung. Betont wird völlig zurecht die Notwendigkeit, den ÖPNV durch Ausbau attraktiver zu machen. Wir müssen nun also klären, wie – und wer das finanziert, denn die Kommunen brauchen hier Unterstützung vom Freistaat. Leider gab es in Erlangen bisher keine Möglichkeit, diese Fragen öffentlich zu diskutieren – mit einem Berichtsantrag zu dem Thema möchten wir die Debatte in die Öffentlichkeit und in den Ausschuss oder Stadtrat bringen.“

In Nürnberg, wo die aktuelle Debatte ihren Ausgang nahm, sieht man sich in einem Dilemma: „Mit unserer Vereidigung haben wir den Eid abgelegt, Schaden von der Stadt Nürnberg abzuwenden – gleichzeitig sind wir gewählte Vertreter*innen von Nürnbergs Bürger*innen. Diese Ambivalenz zeigt sich nun beim 365-Euro-Ticket, das der städtische Haushalt aktuell nicht stemmen kann, für das sich aber viele Bürger*innen ausgesprochen haben. Auch wenn das 365-Euro-Ticket nicht zum 1. Januar 2023 eingeführt werden kann, so ist es weiterhin unser Bestreben, dieses zusammen mit den umliegenden Landkreisen und Städten mittelfristig umzusetzen – auch, um die Pendlerströme massiv zu reduzieren. Damit der ÖPNV aber attraktiver und die Verkehrswende eingeläutet werden kann, brauchen wir Mehreinnahmen, die wir unter anderem durch maximale Parkraumbewirtschaftung und Preiserhöhung von Bewohner*innenparkplätzen generieren werden“, sagt Achim Mletzko, Fraktionsvorsitzender der Nürnberger Stadtratsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN.

Christoph Wallnöfer, Grüner Stadtrat in Fürth, fügt hinzu: „Im Gegensatz zu Nürnberg hat der Fürther Stadtrat entschieden, das 365-Euro-Ticket nur dann einzuführen, wenn sich Land bzw. Bund an der Finanzierung beteiligen. Neidisch schielten die Fürther auf Nürnberg und bewunderten deren Mut. Wenn sich jetzt das Ganze in das Gegenteil dreht, ist keinem gedient. Der Nürnberger Stadtrat verliert sein Gesicht und der dringend benötigte Umstieg vom Auto in den ÖPNV wird unnötig verzögert. Gerade jetzt müssen wir uns von carbonisierten Antriebsarten befreien.“

In Schwabach war schon früh klar, dass ein 365-Euro-Ticket von der Kommune nicht finanziert werden kann. Der Fokus liegt hier vor allem auf dem Ausbau des Angebots. Bernhard Spachmüller, Grüner Stadtrat in Schwabach, erklärt: „Die Gremien der Stadt Schwabach haben die Einführung des 365€-Tickets bereits abgelehnt – die Belastung des städtischen Haushalts wäre zu groß, ohne dass mehr Nutzer gewonnen werden können. Ein attraktives ÖPNV-Angebot ins Umland muss erst aufgebaut werden. Die Verkehrswende können die Kommunen nicht ohne Unterstützung vom Freistaat meistern.“

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